12.11. 2020: Literatur "Fantasy" Anna Degenhart "Trinke nie einen Zaubertrank!"

„Hallo? Hilfe, wa, warum bin ich so klein?“, schrie ich mit einer hohen, piepsigen Stimme. Ich räusperte mich, doch das Piepsen gehörte wohl zu meiner neuen Gestalt. Langsam richtete ich mich auf und marschierte mit wackligen Beinen ein bisschen umher. „Ach, was ist denn das?“, rief ich überrascht, als ich vor einer kleinen Luke in der Wand stand, die ich als normaler Mensch noch nie gesehen hatte. Ich bückte mich und streckte meinen Kopf hindurch. Zögernd ging ich auch mit dem Rest meines Körpers durch und mir blieb der Mund offen stehen. Was ich sah, war unglaublich! Winzige Häuslein, bunt geschmückt und mit blauen Türen und Fensterrahmen standen da. Und ein glasklares Bächlein plätscherte durch dieses Dorf. Staunend wagte ich einen Fuß vor den anderen und erblickte eine winzige Brücke aus Holz, die über den Bach zu einer wunderbaren, bunten Blumenwiese führte. Ich bewegte mich auf sie zu, als auf einmal hinter einer kleinen Tanne etwas hervorsprang. Erschrocken wich ich zurück: „Huch, was bist denn du für einer?“ „Ich, hahaha, ich bin genauso einer wie du! Ein Winzling, hahaha!“, krähte das winzig kleine Männlein. „Aha, und wie heißt du?“, fragte ich etwas überrumpelt. Er antwortete vergnügt: „Munilus! Munilus ist mein Name! Und was ist deiner?“ „Äh, Peter, Peter Müller aus der Streifengasse“, stotterte ich. „Ah, dann bist du also ein Mensch! Ui, ui, ui!“, schlussfolgerte das lustige Geschöpf. „Komm mit!“ Wir setzten uns in Bewegung, weg von der Brücke, in Richtung der Häuser. „Weißt du, Munilus, ich habe experimentiert, einen Zaubertrank wollte ich erfinden… Und auf einmal war ich so klein!“, erzählte ich. „Aber jetzt sag mal, wie komm ich denn überhaupt wieder zurück? Meine Mama macht sich sicher Sorgen, wenn sie mich nicht findet!“ „Keine Angst, Peter. Wir bringen dich schon noch rechtzeitig zurück!“, beruhigte mich der Winzling. „Komm erst mal herein!“ Er hielt mir die Tür zu einem der Häuser offen, in dem es verführerisch nach Kuchen und Tee duftete. Herzlich wurden wir von einer Winzlingsdame begrüßt, die sich al Hertilus, Munilus‘ Frau herausstellte. Wir genossen den Kuchen und plötzlich sprang Munilus auf und sagte, ich solle mitkommen. Verdutzt folgte ich ihm, als er Richtung Blumenwiese spazierte. „W, wohin führst du mich?“, fragte ich unsicher. „Mir ist etwas eingefallen! Wir müssen zur Blumenwiese. Dort pflücken wir von jeder Blumensorte ein und dann musst du von Blüte eine essen. Dann kommst du wieder zurück nach Hause!“, erklärte mir Munilus. „Na, super! Los geht’s!“, rief ich und rannte schon los, als Munilus mich zurückhielt: „Warte, hüte dich vor den Bodenkrabblern. Sie sind unsere größten Feinde und du siehst sie erst, wenn sie dich bereits gebissen haben. Pass auf dich uf, auf Wiedersehen! Ich warte hier.“ „Aber, aber,…“, protestierte ich, doch Munilus schob mich bereits auf die Brücke zu. Ich gab nach und ging ängstlich weiter. Als ich beim Blumenfeld angekommen war, sah ich mich nochmal und pflückte dann die erste Blume. „Ah, hilfe! Munilus!“, schrie ich entsetzt. Ein Bodenkrabbler saß direkt vor mir am Boden und sah mich aus seinen großen,  pechschwarzen Augen an. „Mach weiter!  Gib nicht auf! Du hast nur eine Chance!“, hörte ich Munilus rufen. Also ging ich einfach weiter, doch der Krabbler sprang mir nach! Er krächzte: Was willst du hier? Du zerstörst unsere Wiese!“ Ich erklärte ihm immer panischer werdend alles und er sah mich immer ärgerlicher an: „Was machst du nur! Aber na gut, mach was du tun musst!“ Verdutzt sah ich das Wesen an: „Wie, was, wirklich? Du tust mir also nichts und lässt mich stattdessen meine Blumen pflücken?“ „Nein, ich tu dir nichts. Wir mögen es nur nicht, wenn ihr unseren Lebensraum, die Wiese, zertrampelt. Du musst doch nur am Rand entlanggehen und schon hast du alle Blumen beisammen!“ „A, also…, ach, danke!“, freute ich mich und holte schnell alle Blüten. Munilus fiel mir um den Hals: „Ach, bin ich froh! Aber jetzt schnell! Iss alle Blüten, sie dürfen nicht verwelken!“ „Danke, Munilus! Ich werde mich beeilen“, bedankte ich mich glücklich und kaute eine Blüte nach der anderen. Alles wurde hell und plötzlich stand ich in meinem Zimmer. Ich rieb mir die Augen und ich wusste, dass ich wieder daheim war, als mir meine Mutter zum Essen rief.