12.11. 2020: Literatur: "Fantasy" Lara Riederer: "Das Versprechen"

Hilfe, ich war geschrumpft!

 

Eines Tages in den Ferien hast du unvorsichtig experimentiert und bist auf die Größe einer Ameise geschrumpft. Du hast dich gerade im Kinderzimmer aufgehalten. Niemand hat dich gehört und gesehen – zumindest vorerst…

„Oh nein! Ich hätte dieses verdammte Zeug nicht trinken sollen.“

Als ich mich langsam aufsetzte, bemerkte ich erst, wie groß mein Zimmer eigentlich war. „Was soll ich denn jetzt machen?“, überlegte ich laut, “Soll ich zu Tante Inge gehen, um zu fragen, ob sie ein Gegenmittel hat?“

Während ich noch weiter überlegt, stand ich schon auf und ging Richtung Tür. Es dauerte Stunden bis ich endlich bei der Tür ankam, naja, um genau zu sein, waren es bloß 3 Minuten, aber es kam mir vor wie eine Ewigkeit.

Jetzt musste ich nur noh in die Küche. Nach einer gefühlten halben Stunde war ich endlich angekommen und sah meine Tange. „Tante Inge! Taaante Iiiinngeee! Hallo, hier bin ich!“, schrie ich, um sie auf mich aufmerksam zu machen, aber egal was ich tat, sie hörte mich einfach nicht.

Traurig wanderte ich in den Garten, setzte mich auf die Kante der Veranda und fing an zu heulen.

Plötzlich kam ein riesiges Tier auf mich zu, aber ich sah alles nur verschwommen, weil meine Augen voller Tränen waren. Aus Verzweiflung fing ich an zu laufen, doch das Tier holte mich schnell ein. Das Merkwürdigste, was mir in meinem ganzen Leben passiert, kam erst, als das Tier zu mir sprach: “Halt! Bleib doch stehen. Ich tu dir doch nix. Ich heiße übrigens Nele.“ „Nele?“, dachte ich und blieb stehen. Erst als ich mir mein Gesicht abgetrocknet hatte, sah ich die Katze meiner Tante. „Ich weiß, was dir passiert ist, ich habe dich beobachtet, als du das lila Zeug getrunken hast. Du kannst jetzt mit Tieren sprechen“, sagte Nele. So erstaunt wie ich auch war, fragte ich sie:“ Aber was muss ich tun, damit ich wieder groß werde?“

„Du willst wieder groß werden? Das geht nicht, wieso willst du wieder groß werden? Du bist klein, kannst mit Tieren sprechen und kannst endlich tun und lassen was du willst. Also keine Schule, keine Hausaufgaben und kein Abwasch. Das ist doch toll!“

Nach einer ewigen Diskussion verstand Nele endlich, wieso es besser war, dass ich wieder groß werde und sie versprach, mir zu helfen.

„Komm, ich kenne jemanden, der dir vielleicht helfen kann, spring auf meinen Rücken“, meinte Nele und ich vertraute ihr.

Sie steuerte direkt auf den Baum in Tante Inges Garten zu, wurde immer schneller, sprang dann auf den Baum und von dort aus über den Gartenzaun zum Nachbarn.

Wir landeten aber nicht auf weichem Gras, sondern auf etwas Hartem. Und da schoss es mir: “Natürlich, die Bienenstöcke! Du meinst, dass mir die Bienen helfen können?“ „Um genau zu sein, die Bienenkönigin und da ist noch etwas, du musst ab hier allein gehen. Zum einen, weil ich zu groß bin und zum anderen, weil ich nicht so beliebt bin hier. Ich bin wohl der einen oder anderen Biene etwas hinterhergejagt und das har ihnen nicht so gefallen.“

Nele setzte mich vor dem Eingang des Bienenstockes ab, sagte mir noch ein paar aufmunternde Worte, verabschiedete sich und verschwand dann.

Ich wollte schon durch den Eingang gehen, als plötzlich Tumult unter den Bienen um mich herum aufkam.

Ich konnte gar nicht so schnell schauen, da packten mich auch schon zwei Wächter und zerrten mich kreuz und quer durch den Bienenstock. Irgendwann warfen sie mich einfach ab. Als ich mich umsah, hörte ich eine Stimme: „Ich habe dich schon erwartet.“

Nachdem ich mich umgedreht hatte, sah ich eine große Biene, um einiges größer als die anderen, sie musste die Königin sein.

„Hallo Sara, ich bin Königin Else. Ich besitze ein Mittel, dass dich wieder groß macht, aber im Gegenzug musst du dafür sorgen, dass deine Tante die Blumen, die im Frühling wachsen bis in den Herbst hinein stehen lässt, damit unsere Arbeiterinnen nicht so weit fliegen müssen, um an Nektar zu kommen.“

Die Königin holte ein merkwürdiges Fläschchen und gab es mir. „Trinke es drei Flügelspannen vor dem Eingang, lauf dann so schnell wie möglich aus dem Stock und spring. Du wirst sofort wachsen.“

Nachdem ich mich vielmals bei Königin Else bedankt hatte und ihr versprochen hatte, dass die Blumen in Tante Inges Garten stehen blieben, flogen mich die Wächter wieder zum Eingang.

Ich befolge die Anweisungen der Königin und tatsächlich klappte alles wie am Schnürchen.

Als meine Füße am Boden waren, hatte ich meine normale Größe wieder. Aus lauter Freude rannte ich zu Tante Inge und umarmte sie.

In meinem Zimmer angekommen umarmte ich auch Nele, die auf mich gewartet hatte.

„Das bleibt unser kleines Geheimnis, ok?“, fragte ich und sie leckte mich kurz an meiner Nase.

Von diesem Tag an wünschte ich nie wieder, dass ich klein sein möchte.